Aus alten Zeiten

Hier werden Informationen zusammen getragen, die aus der Vergangenheit Nachtsheims stammen.

Ein liebenswerter Mensch mit hohen Idealen

Lehrer Johann Pauly aus Nachtsheim ließ sich auch in der NS-Zeit nicht beugen.

Lehrer waren in der Vergangenheit sehr geachtete und respektierte Persönlichkeiten in den Städten und Dörfern, waren sie es doch, die dem Nachwuchs das nötige geistige Rüstzeug mitgeben sollten. Dabei legten sie auch den größten Wert auf eine gute Erziehung der ihnen anvertrauten Sprösslinge. Von einem solchen Pädagogen, von Johann Jakob Pauly, ist hier die Rede, der wegen seiner aufrechten Haltung sogar den Nazis trotzte und daher aus dem Schuldienst im Alter von 59 Jahren entlassen wurde. Noch heute erinnern sich die älteren Mitbürger des Eifeldorfes Nachtsheim dankbar an ihn.
Johann Pauly wurde am 10. Juli 1879 in Allenz, dem heutigen Alzheim bei Mayen mit seiner Zwillingsschwester in eine Bauernfamilie geboren. Nach der Grundschule absolvierte er eine Lehre in einem Mayener Vermessungsbüro, die er wegen seiner schwachen Gesundheit abbrechen musste. Johann Jakob Pauly ergriff schließlich den Beruf eines Lehrers mit der Befähigung zum Organisten. Seine Ausbildung an der Präparandieanstalt, im 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert die untere Stufe des Volksschullehrerseminars, schloss er in Münstermaifeld erfolgreich ab und avancierte 1904 nach zweijähriger Hilfslehrertätigkeit in Mayen zum Hauptlehrer in Nachtsheim bis Mitte der 1930er- Jahre.
Die Schule selbst gibt es nicht mehr, sie lag mit der Schmalseite zur Dorfmitte mit dem früher vorgelagerten „Spritzenhaus“ der Feuerwehr und dem abgedeckten Weiher mit Löschwasser zwischen „Schull“ und „Jass“, so nach Angaben von Heinrich Thomé. In der oberen Etage wurden etwa 70 Schüler unterrichtet und im Erdgeschoss war die Lehrerwohnung, die Toiletten und die Stallungen für Ziegen, Kaninchen und Hühner. Leider war die Besoldung gegenüber heutigen Lehrern äußerst bescheiden: Anfangs 4,50 Goldmark im Monat für den Lehrer und Organistendienst. Das Halten von Haustieren war daher eine schiere Notwendigkeit.


Pauly heiratete am 14. Februar 1906 Gertrud Dedenbach, als elftes von zwölf Kindern am 27. Mai 1885 in einem Gasthaus geboren. Es folgten die Kinder Hans 1907, Heinrich 1909 und 1912 Mathilde Maria, die Mutter von Heinrich Thome, der diese Informationen zur Verfügung stellte. Der beliebte Lehrer verfügte über außergewöhnliche pädagogische Fähigkeiten. Mit viel Geduld kümmerte er sich auch um schwächere Schüler. Disziplin spielte trotzdem bei ihm eine große Rolle.
Ein kleines fröhliches Intermezzo: Er wurde von einem größeren Jugendlichen beim Rasieren beobachtet, als auf einmal der junge Mann meinte: „De mein kritschelt awwer mieh bie de dein“ (Mein Rasiermesser schabt aber mehr über die Haut wie deines).
„Der Herr Lehrer“ war weit über seine Dienstzeit hinaus bis zu seinem Tod die am meisten geachtete Person im Dorf. Dabei war Pauly noch Schiedsmann, um Streitfälle auf gütliche Art zu schlichten. Ganz ungewöhnlich waren auch seine „geschäftlich-sozialen“ Tätigkeiten, die man einem Lehrer als preußischem Beamten nicht zugetraut hätte. In die Mitte der Zwanziger Jahre fällt seine Entscheidung, eine Dreschmaschine zu kaufen. Das war damals eine neue Entwicklung und es handelte sich um eine fahrbare Einrichtung zum Lohndrusch. Das Getreide wurde, nachdem es auf dem Feld zu Garben („Koaschte“) gebunden und aufgestellt, getrocknet war, in die Scheunen gebracht und dort gedroschen. Pauly stellte zwei Männer an, die im Herbst die Dreschmaschine von Scheune zu Scheune fuhren und dort das Getreide dreschten. Der Antrieb erfolgte über die Riemenscheibe eines Traktors (Bulldog), der auch die Maschine von Hof zu Hof zog. Das erwies sich schnell als ein recht einträgliches Geschäft und so erwarb Pauly 1927 von einem in Konkurs gegangenen Sägewerk in Boos eine Kreissäge, die er auf dem Grundstück „Auf der Höh“, heute „Höhenstraße 13, in einem eigens gebauten Schuppen postierte. Aus dem „Stromhäusje“ wurde ein Kabel für die notwendige Elektrizität verlegt. Mit zwei Arbeitern, einer davon war „Schooste Klohs“, der später bei einem Betriebsunfall seinen rechten Arm verlieren sollte, nahm er den Betrieb auf. Es handelte sich dabei ausschließlich um Lohnschnitt, wobei die Nachtsheimer ihr eigenes Holz brachten, um es zu Kantholz oder Brettern verarbeiten zu lassen. Auch dieses Geschäft war offenbar so lukrativ, dass Pauly Mitte der dreißiger Jahre ein Horizontal- Gatter anschaffen konnte, das in einer inzwischen errichteten Halle in Nord-/Süd-Ausrichtung aufgestellt wurde. Zum Glück wurde das Ganze im Krieg nur leicht beschädigt.

Die 1930er-Jahre waren geprägt vom „Dritten Reich“. Es war für den Lehrer und die ganze Familie natürlich selbstverständlich, sich von der Nazi-Ideologie fernzuhalten. Insbesondere das Verhalten den Juden gegenüber stieß auf heftigste Ablehnung. Die bitteren Konsequenzen für ihn und die Familie hat er auch schriftlich hinterlassen und sie sprechen für seine Prinzipientreue, die ihm sogar seine frühzeitige Entfernung durch die Nationalsozialisten aus dem Schuldienst bescherte.


Was aber um Gotteswillen hatte er „Fürchterliches“ angestellt? So kaufte er im August 1935 mit seiner Tochter in einem „jüdischen“ Geschäft ein. Mit dem Verweis und der Androhung der NSDAP, bei einer Wiederholung würde er brotlos, versuchte man den Lehrer unter Druck zu setzen. Ferner musste er mehrfach als Organist zur Vernehmung durch die Gestapo nach Koblenz, die den katholischen Pastor Kichhoff, in Haft genommen hatte. Der Pädagoge Pauly trat nie der NSDAP bei, obwohl das von ihm als Beamter verlangt worden war. Alle diese kleinen nationalsozialistischen Mickrigkeiten führten schließlich mit 59 Jahren nach mehreren Strafversetzungen zur Entlassung aus seinem geliebten Beruf. Es war schrecklich für ihn, er musste seine Dienstwohnung verlassen. Doch Schwiegertochter und Sohn bauten in Nachtsheim, und dort konnte der Vater einziehen.
Bis zu seinem Tod 1966 bezog er seine Pension, die ihn bestens von der ganzen Unbill entschädigte. In Erinnerung bleibt er den Nachtsheimern als ein korrekt mit Anzug, Krawatte, Weste und Hut gekleideter Herr, der täglich bei Wind und Wetter unterwegs war und den Kindern gerne die Pflanzen und Tierwelt nahebrachte. Ein liebenswerter Mensch mit hohen christlichen Idealen, der sich auch in schwerer Zeit nicht beugen ließ.

Heinz Kugel

(Quelle des Artikels: Rheinzeitung Nr. 135 Mayen-Andernach vom 13.06.2020)

 

 


„Bandese Kloos“ und seine „Ochsenschule“


Das alte Fachwerkhaus von „Lamenne“ und die Anfänge des Eifeldorfs Nachtsheim

Es ist vermutlich im März in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die beiden Ochsen gemächlich auf der Dorfstraße in dem Eifeldorf Nachtsheim dahintrotten. Geführt werden sie von dem inzwischen lange verstorbenen Nikolaus Schuhmacher, genannt „Bandese Kloos“, der in der linken Hand einen Knüppel hält. Doch die Zugtiere trotten dermaßen ruhig dahin, dass ein erzieherisches Eingreifen nicht erforderlich ist. „Bandese Kloos“ in seiner ärmlichen Kleidung wirkt ebenfalls ausgeglichen und mit sich und der Welt zufrieden. Noch eines verrät das alte Bild: Vermutlich im Frühjahr war der „Kloos“ mit seinen beiden Tieren unterwegs, denn die Bäume im Hintergrund tragen noch kein Laub.

Bei dem hinteren Gebäude handelt es sich um das Wohnhaus mit den Stallungen der früheren Familie Kugel. Der ebenfalls schon lange verstorbene Vater des Verfassers, Stephan Kugel, Jahrgang 1914, lebte einst hier bis zu seiner Hochzeit, nach der er bis zu seinem Tod 1982 in Lieg auf dem Hunsrück wohnte.

Das interessantere Gebäude aber ist das mittlerweile abgerissene ärmliche Haus auf der linken Seite, das dem „Lamenne“, mit richtigem Namen Matthias Schneider, und seiner unverheirateten Schwester Marie gehörte. Der Verfasser selbst hat in seinen Ferien in Nachtsheim dieses interessante Haus gut kennengelernt. Nach der Frontseite hatte es eine Doppeltür aus Holz, die eine etwas höher und die andere etwas tiefer, die zum eigentlichen Wohnbereich und auch zu den Stallungen führten mit den beiden Ziegen, der Kuh des kleinen Mannes. Sie ähneln den mittelalterlichen fränkischen Häusern, in denen ebenfalls die ganze Familie mit ihren Tieren Platz fand. Der Boden im „Lamenne-Haus“ bestand aus Steinen. Beim Betreten stand man zunächst in einem großen offenen Bereich. Die „Schlafgemächer“ waren nur über eine Holzleiter zu erreichen und befanden sich unter dem Dachgiebel.
Dieses doch einfache Gebäude in Nachtsheim, das es dort nicht mehr gibt, erinnert mit seiner Bauweise an uralte fränkische Fachwerkhäuser mit Lehm und mit Kalk geweißt. „Lamenne“ selbst ist nach seiner Schwester Marie, die immer mit der Mutter in einem breiten Bett schlief, im Seniorenheim in Mayen verstorben. Er war eine liebenswerte Persönlichkeit, etwas schrullig manchmal, aber ehrlich und aufrichtig. Diese Informationen stammen von mehreren befragten Nachtsheimer Bürgern und aus eigenem Erleben.

Doch es soll noch etwas zu der Geschichte von Nachtsheim in der Vulkaneifel, das rund 490 Meter über Normalnull liegt, gesagt werden. Rund um das Dorf gibt es vor allem Weiden und Wiesen, auf der die Bauern ihre Kühe durch die Dorfjugend hüten ließen, und in Richtung Münk und Anschau große Wälder, durch die der Mimbach fließt. Der Ort selbst ist schon uralt, seine Anfänge beginnen vor mehr als 1000 Jahren, als man unter Erzbischof Hetti (818–847) eine eigene Pfarrkirche besaß.

Wie bereits oben kurz skizziert, wurden während der hochmittelalterlichen fränkischen Rodungsperiode Dörfer errichtet, wo die Menschen mit ihren Familien lebten. Die Endung „heim“ im Ortsnamen Nachtsheim weist zudem auf die fränkische Rodungsphase vor rund 1000 Jahren hin. Zwischen Elz und der Hohen Acht wurde schließlich als erste Pfarrei die in Nachtsheim gegründet. Es gibt in den alten Annalen die „Pfarrtermination“ des Trierer Erzbischofs Ruotberth (931–956) für die Kirche von Nachtsheim (Natisheim) als frühester schriftlicher Besiedlungsbeleg. Zuerst datierte man die Urkunde fälschlicherweise auf das Jahr 950, diese wurde später aber durch die Forschung auf das ausgehende 11. Jahrhundert zurückverlegt. Die Grenzen des Pfarrsprengels, der seelsorgerisch den Brüdern des Münstermaifelder Stiftes übergeben wurde, hatte der Trierer Erzbischof Hetti vorgenommen. Nachtsheim blieb immer die Mutterkirche, in den dazugehörenden Gemeinden gab es die Filialkirchen. Um 1800 kam Nachtsheim sogar zum Bistum Aachen und bei den Preußen 1824 wieder zum Bistum Trier. Sein Stephanus-Patronat zeigt eine sehr frühe Kirchengründung.

Heinz Kugel

Quelle: Rhein Zeitung vom 29.Februar 2020 – Ausgabe Andernach & Mayen


Historische Bilder unseres Landes

Hermann Weber aus Nachtsheim (links) ließ uns die Aufnahme vom Umzug zum Sängerfest in Weiler bei Mayen Anfang der 1950er-Jahre zukommen. In der Mitte steht Karl Könen, und rechts ist Toni Engels zu sehen. Die drei Herren trugen die Vereinsfahne des MGV (Männergesangsverein) Waldecho Nachtsheim.

Quelle: Rhein Zeitung vom 07. September 2020 – Ausgabe Andernach & Mayen


Ein Beitrag der Kümmerin der Projektgruppe, Frau Maria Steffens, in dem sie sich an den Winter in ihrer Kindheit erinnert:

Der Winter – wie er früher war! (Teil 1)

Endlich mal wieder ein richtiger Winter! Trotz vieler Entbehrungen durch Corona, wurde uns in diesem Jahr ein herrlicher Winter mit viel Schnee und Eis beschert! Vielleicht war dies ein Geschenk von oben!!!

Alle, die ganze Familie, Groß und Klein, drängten sich auf die Schlittenbahnen in unserer schönen Eifellandschaft zu einer herrlichen, kostenlosen Abfahrt in sauberer Luft und Natur.

Wenn ich noch an die Winterzeit in meiner Kindheit denke, war es teilweise doch eine harte Zeit. In den Häusern keine Ölheizung, kein warmes Wasser aus der Leitung, kein beheiztes Schlafzimmer- überall Eiseskälte. Eine Wärmflasche, ein Ziegelstein oder ein Stahlbügeleisen machten die kalten Betten etwas erträglicher. Beim Putzen der Schlafzimmer gefror der Putzlumpen am kalten Boden, aber es wurde trotzdem ab und zu geputzt.

Eine Feuerstelle für das ganze Haus war der große Küchenherd, um den herum sich alles abspielte. Darauf hatten einige große Kochtöpfe Platz. Am hinteren Ofenrand – die Wand war durch eine Kachelwand geschützt – standen immer die Rahmschüsseln, wo sich durch die Wärme der Rahm sich von der Milch absonderte. Etwas Leckereres gibt es bis heute nicht.

Im Backofen wurde Kuchen gebacken, der Döppekuchen wurde darin schmackhaft, Apfelringe getrocknet und die Bügeleisen und Ziegelsteine zum Aufheizen hinein gestellt. An einer Seite der großen Herdplatte hatte das „Schiffchen“ seinen Platz, immer mit Wasser gefüllt zum Warmwassergebrauch. Rundum an der Herdstange wurden nach dem Spülen die nassen Geschirrtücher zum Trocknen aufgehängt.

Vor dem Schlafengehen zogen wir manchmal noch Leinen kreuz und quer durch die Küche, wo dann die Wäsche aufgehängt wurde zum Trocknen über Nacht. In den Ofen kamen noch ein paar Briketts, damit morgens noch Glut im Herd und die Küche zum Frühstück schön warm war. Die großen Kochtöpfe füllten wir auch noch alle mit Wasser auf dem Herd zur Viehfütterung am Morgen. Das Trockenfutter, Stroh und Heu wurde abends noch mit der Häckselmaschine geschnitten. Die dicken Runkelrüben drehten wir dann morgens frisch durch die „Grötzmühle“ zu kleinen Schnitzeln. Die wurden über das Trockenfutter gestreut und in den Futtertrögen verteilt, darüber eventuell noch eine Schippe Kleie, gemahlene Getreidekörner, die wir selbst in der Scheune mahlen konnten.

Das Schweinefutter musste mit dem warmen Wasser aufgewärmt werden, weil die gekochten Kartoffeln in der Futterküche ja abgekühlt waren. Auch die Schweine bekamen eine Schippe Kleie übers Ganze. Die Hühner freuten sich über Getreidekörner, Gemüse- und Essensreste, Eierschalen und Brot. Nichts wurde weggeworfen, alles wurde verwertet.

Dann hieß es: „Die Rummele sein all, mir mossen en die Kaul forre“. Das war harte Arbeit. Meistens war es bitterkalt und hart gefroren. Vor dem Dorf war eine Fläche von der Gemeinde zugeteilt, wo jeder zur Lagerung der Knollen eine „Kaul“ (Grube) anlegen konnte für den Winter.

Im Herbst wurde eine große, tiefe Kaul ausgehoben und bei der Ernte mit den Knollen befüllt und mit viel Stroh und Erde als Frostschutz schön abgedeckt. Trotzdem waren sie oft noch gefroren, mussten dann in Körben im Stall auftauen zum Verfüttern.

Ab und zu wollten wir auch mal gerne zum Schlittenfahren nach den Hausaufgaben „en de Päsche forre“. Aber oft war immer wieder etwas anderes, wo wir helfen mussten. In den ersten Jahren hatten wir Mädchen noch keine langen, warmen Hosen zum Anziehen. Die waren für Mädchen noch nicht in Mode und es ist uns oft sehr kalt geworden. Was war es für eine Errungenschaft, als wir endlich auch Hosen anziehen durften beim Schlittenfahren im kalten Schnee. Es waren ganz einfache, warme Trainingshosen, die reichten uns aber damals aus.

Noch sehr viel später durften wir auch zum Kirchgang lange, aber bessere Hosen tragen, statt Rock und Kleid. Heute sind Hosen gar nicht mehr wegzudenken.

In all diesen Jahren mit viel Schnee und Kälte gab es auch keinen Schneepflug, um die Straßen in den Dörfern frei zu machen. Jeder musste am eigenen Haus seinen Teil weg schaufeln. Wie oft war die Kreisstraße ganz zu, so dass kein Auto mehr ins Dorf rein kam. Der sog. „Hohlweg“ Richtung Anschau war auch oftmals ganz zugeweht mit Schnee. In dieser Notlage ging dann der „Schellmann“ durchs Dorf und rief alle Männer zum Schneeschippen zusammen. Damals waren im Winter auch viele „Mannsleut“ zu Hause.