Ein Bericht aus der Rheinzeitung vom Nachtsheim, 24.01.2020.
Elvira Bell
Ein sogenanntes Sturmsingen anlässlich des 30. Geburtstages führt ledigen Junggesellen vor Augen, dass es für ihn beziehungsweise für sie allerhöchste Zeit zum Heiraten ist. Gleichzeitig wird der- oder diejenige als Junggeselle in den Ruhestand verabschiedet, das heißt, der frischgebackene 30-Jährige braucht unter anderem bei den Junggesellenfesten keinen Thekendienst mehr zu leisten.
Heiratet ein Mitglied des Junggesellenvereins vor seinem 30. Geburtstag, wird ebenfalls Sturm gesungen. Die Tradition des Sturmsingens war schon vor der Gründung des Junggesellenvereins Nachtsheim im Jahre 1987 in der Vordereifelgemeinde tief verwurzelt. Der Brauch wird in Nachtsheim schätzungsweise seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts gepflegt. „Der berühmte Satz, der vor jedem Sturmsingen fällt und durchaus seine Berechtigung hat, lautet: Jeder wird gleich schlecht besungen“, erklärt Johannes Weiler, der Vorsitzende des Junggesellenvereins.
Dargebracht werden ganz unterschiedliche Lieder. Das deutsche Volkslied „Hohe Tannen“ etwa, das auch als „Rübezahllied“ bekannt ist. „Es wurde 1923 vom Bund der Ringpfadfinder urveröffentlicht“, berichtet Johannes Weiler. „Wir singen die erste Strophe noch aus dem Original, die zweite ist neueren Ursprungs.“ Gesungen wird auch ein Marschlied der Bundeswehr
mit dem Titel „Rubbeldibupp“. Dieses Lied sei vor etwa 20 Jahren durch ein Gründungsmitglied in Nachtsheim bekannt gemacht „und auf unser Dorf umgedichtet worden. Es ist das zotigste
Lied auf unserer Liste“. In Anspielung auf den anschließenden Umtrunk singt der Junggesellenverein zu guter Letzt liebend gern das Lied „Die Getränke sind frei“. Es stammt vermutlich aus den 1950er-Jahren und ist eine Verballhornung des bekannten Liedes „Die Gedanken sind frei“. Auch wenn die Hochzeit oder der Polterabend nach der Vollendung
des 30. Lebensjahres stattfinden, ist es üblich, dass der Nachtsheimer Junggesellenverein zum Singen eingeladen wird.
Das Lied „Hoch im Eifelland“ wird ausschließlich zur Hochzeit oder zum Polterabend zum Besten gegeben. „Hierbei handelt es sich ebenfalls um ein sehr altes Volkslied, welches auch
in anderen Regionen gesungen wird“, erläutert der Vereinsvorsitzende.
„Die schöne Odenwälderin“ sei vom Wortlaut nahezu identisch. In jedem Fall stellen die Junggesellen
den Frischvermählten nach der Trauung auf einem Sägebock einen Baumstamm hin, der von den beiden durchgesägt werden muss. Das geht nur, wenn das
Hochzeitspaar als Team zusammenarbeitet und das Ziehen und Drücken der Säge gleichmäßig läuft. Symbolisch steht das Zersägen
des Baumes dafür, dass beide mit Kraft und Ausdauer gemeinsam anstrengende Aufgaben bewältigen können und auch in Zukunft schwierigen Aufgaben gewachsen
sind.